Gefühlsausbrüche

Es gibt Tage oder auch längere Phasen, in denen unsere Kinder heftige Gefühle ausleben. Diese Ausbrüche sind für uns Eltern nicht immer einfach auszuhalten. Dies, weil sie manchmal unseren eigenen Bedürfnissen im Weg stehen. Darauf möchte ich hier aber nicht weiter eingehen. Oder auch, weil wir unseren Kindern gerne helfen möchten. Wenn unsere Kinder uns dann nicht helfen lassen, kann das in uns eine Hilflosigkeit auslösen. Sie schliessen uns quasi aus ihrem Leiden aus, wir sind „nur“ Zuschauer, Zaungäste in ihrem Erleben.

Ich denke wir Menschen sind so veranlagt, dass wir gerne verstehen und dann handeln möchten. Was können wir also tun, wie können wir handeln?

  • Wir sollten diese Gefühlsausbrüche zulassen und sie nicht verhindern wollen. Wenn wir sie verhindern wollen, machen wir uns zum Spielball der Emotionen unseres Gegenübers und wir nehmen die Verantwortung dafür zu uns. Die Verantwortung für seine Gefühle (Wut, Trauer, Ärger, Eifersucht etc.) dürfen wir ganz klar dem Kind übergeben. Es sind seine Gefühle und nicht unsere.
  • Wir dürfen aber hinsehen und vielleicht können wir auch versuchen, die Gefühle zu verstehen. Wenn wir emotional in die Schuhe unserer Kinder stehen, dann können wir oft nachvollziehen, was jetzt gerade diese heftigen Gefühle auslöst. Es kann ja echt ganz schön wütend oder traurig machen, wenn man ein 4. Stückchen Schokolade möchte, jemand anders entscheidet, dass es nun genug ist. Es ist auch nicht lässig, wenn die Gute-Nacht-Geschichte schon zu Ende ist und ich ins Bett sollte, obwohl das Leben noch so viel Schönes zu bieten hat. Und wenn ich in der Schule von einem Freund ausgelacht wurde, dann ist das sehr unangenehm und ich werde vielleicht zum ersten Mal mit Schamgefühlen berührt.
  • Nun können wir uns fragen: Was würde die Liebe tun?
    …Das Kind anschreien?
    …Dem Kind sagen „hör auf“?
    …Oder „reiss dich mal zusammen“?
    … „Tu nicht so blöd“?
    … „Jungs weinen nicht“?
    … „Das ist doch nicht so schlimm“?
    … „Ist doch easy, du musst nur das und das tun“?
    …wohl eher nicht.

Die Liebe könnte aber reagieren, indem sie dem Kind das Gefühl spiegelt:
– Ich sehe, das passt dir jetzt gar nicht.
– Oh, ich verstehe, das macht dich jetzt richtig wütend. Stimmts?
– Kann es sein, dass dich das gerade sehr traurig macht?
– Hm, das ist aber auch echt ein Mist.
– Oh, das scheint dich aufzuregen.

Es ist OK, lass das Gefühl (deine Wut, deinen Ärger, deine Angst, deine Trauer) zu, es darf da sein. Das Gefühl ist OK, du bist OK.

  • Nachdem das Gefühl gesehen, akzeptiert und angenommen wurde, kommt die Frage: „Und was jetzt?“
    Das sieht dann zum Beispiel so aus:
    – Wie kannst du deinem Ärger Luft verschaffen?
    – Was könnte dich jetzt trösten?
    – Was brauchst du, damit du dich beruhigen kannst?
    – Wie könntest du dich in dieser Situation in der Schule wehren?
    – Was könntest du zum anderen Kind sagen, wie reagieren?
    – Was hilft dir, deine Wut raus zu lassen?

Hier sind nun Methoden und Strategien gefragt, die wir Erwachsenen mit den Kindern thematisieren, in ruhigen Momenten. Lösungsmöglichkeiten können wir besprechen, sobald das Gefühl gefühlt wurde und das Kind sich beruhigt hat. Es gibt unzählige Hilfsmittel hierzu. Unter anderem: Die Wut ins Kissen schreien, mit dem Tennisschläger aufs Bett hauen, einen Ball ans Garagentor schiessen,  Wutmännchen malen, auf einem Blatt kribbeln, Velofahren, mit einem Menschen, Stofftier oder Kissen kuscheln, Geschichten im Zimmer hören, Büchlein anschauen, laute Musik hören, und, und, und – lasst Eurer und des Kindes Phantasie freien Lauf.

  • Die Hauptnachricht soll sein: Das Gefühl ist OK. Du bist OK. In meinem Entschluss bleibe ich fest, meiner Haltung bleibe ich treu. Ich sehe und verstehe deine Gefühle, auch wenn ich dir diese nicht abnehme. Es sind deine Gefühle, du trägst die Verantwortung dafür. Aber ich kann dich liebevoll begleiten, dir helfen, deinen Gefühlen einen Namen zu geben. Und ich kann dir helfen, das „Was jetzt“ weiter zu denken. Ich liebe dich und bin für dich da.

Braucht Ihr das jetzt bei jedem Gefühlsausbruch zu tun? Sicher nicht. Wenn ich pünktlich irgendwo erscheinen möchte, dann habe ich nicht die Zeit, mich in diesem Moment mit deinen Gefühlen auseinander zu setzen. Wenn ich müde bin und meine Energiereserven aufgebraucht sind, dann mag ich nicht in deine Schuhe stehen, dann muss ich zuerst meinen eigenen Energietank auffüllen. Ich möchte auch nicht auf jeden noch so kleinen Pieps reagieren und aus einer Mücke einen Elefanten machen.

Aber es gibt viele Momente, in denen wir die Kraft und Zeit haben, unsere Kinder in ihren Gefühlen zu sehen und zu begleiten. Es ist unsere Aufgabe, diesen Gefühlen einen Namen zu geben und den Kindern Wege und Strategien aufzuzeigen, damit umzugehen. Es ist unsere Aufgabe, ihnen aufzuzeigen, dass sie ihren Frust mitteilen dürfen, dass sie darin gesehen werden. Wir akzeptieren aber nicht, dass sie den Frust mittels Gewalt (körperlich oder wörtlich) an ihren Mitmenschen rauslassen. Dass sie selber für ihre Gefühle verantwortlich sind und dass ihre Gefühle immer OK sind.

Ich bin überzeugt, dass wir weniger Gewalt und destruktive Strategien erleben, wenn auch wir Erwachsenen achtsamer mit unseren Gefühlen und Bedürfnissen umgehen. Wir können sie einfach runter drücken, verdrängen und verneinen. Ich bin mir aber ziemlich sicher, dass sie dadurch nicht weg gehen, sondern in uns drin bleiben. Und das vielleicht über Jahre… Was das für Folgen hat? Was meint Ihr?

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