Trockenwerden
Mir fällt auf, dass das Thema Trockenwerden viele Eltern verunsichert. Diese Verunsicherung kann unter anderem, folgende Ursachen haben:
- Das Grossmami, eigene Mami oder die Schwiegermami machen Druck und meinen, es sei jetzt an der Zeit mit dem „Töpfchen-Training“ anzufangen. Manchmal werfen sie noch das Argument hinten nach, dass ihre eigenen Kinder schon mit 1 oder 2 jährig trocken gewesen seien.
- Viele Kinder in einem ähnlichen Alter im Umfeld brauchen ihre Windeln nicht mehr.
Zur Ursache „Druck von Mami oder Schwiegermami“, möchte ich Euch eine kurze Geschichte von 1948 erzählen:
„Marie ist 1 Jahr alt. Die Mami weiss, jetzt muss sie mit dem Töpfchen Training beginnen. Alle fleissigen und guten Mütter um sie herum beginnen mit dem Töpchen-Training in diesem Alter. Das macht man so. Zudem ist es ja auch wirklich mühsam, auch noch diese Stoffwindeln von Hand zu waschen. Ist das Kind also endlich trocken, fällt wenigstens dieser anstrengende Arbeitsschritt weg. Wie man das macht? Das weiss Marie’s Mutter ganz genau. Marie wird ab sofort 3x Täglich auf den Topf gesetzt. Am Morgen um 7 Uhr, am Mittag um 12 Uhr und am Abend um 18 Uhr. Sie muss dann dort Pipi oder Gaggi ins Töpfchen machen. Damit dies gelingt, soll Marie auch mal länger darauf sitzen bleiben. Da darf das Kind auch ruhig mal 30-60 Minuten auf dem Topf sitzen, damit das gelingt.“
Wie klingt diese Geschichte in Euren Ohren? Darf Marie sich in ihrem Tempo entwickeln? Könnte vielleicht die Botschaft bei Marie ankommen, dass sie ihre Bedürfnisse nach vorgegebener Zeit steuern soll und ihre Bedürfnisse stets unter Kontrolle haben soll? Wie mag es wohl für Marie sein, dass sie eine gefühlte Ewigkeit auf dem Topf sitzen bleiben soll, bis sie es eben schafft etwas ins Töpfchen zu machen? Was passiert, wenn es Marie nicht gelingt? Wird sie dann beschimpft oder geschlagen oder liebevoll umarmt mit den Worten „beim nächsten Mal klappt es bestimmt?“
Gefällt Euch diese Geschichte? Möchtet Ihr das mit Euern Kindern so machen? Wenn nicht, dann dürft Ihr dem Druck der Schwiegermami, Mutter oder auch Grossmutter gerne standhalten. Ihr braucht auch nicht zu diskutieren. Es reicht der Satz „mir scheint, wir sind hier anderer Meinung“. Es sind Eure Kinder und wenn Euer Bauchgefühl etwas anderes sagt, dann verlasst Euch doch bitte darauf. Wer hat das Recht darüber zu entscheiden, ob Eure Intuition richtig oder falsch ist?
Die Ursache „viele Kinder im Umfeld sind schon trocken„:
Erstens würde ich mich fragen, ob es wirklich so viele Kinder sind. Oder ist mein Blick nur auf diese Kinder gerichtet, die ihre Windeln bereits verabschiedet haben? So wie man manchmal nur noch Schwangere Frauen um sich sieht, wenn man sich sehnlichst ein Kind wünscht? Vielleicht hilft es, den Fokus mal darauf zu richten, welche Kinder auch noch Windeln tragen.
Dann möchte ich Euch gerne die Frage stellen „Ja und?“ oder „wen störts?“. Diese Frage klingt provokativ. Aber es ist doch genau so, dass es das Kind, offensichtlich nicht stört. Es würde sich sonst für die Toilette oder das Töpfchen interessieren. Tut es aber scheinbar nicht. Also, ist es bei diesem Entwicklungsschritt noch nicht angekommen. Dies mag uns Eltern stören, weil wir doch öfters gerne im Herzen „vorne mit dabei wären“ und nicht „hinten anstehen“ möchten mit unseren Kindern. Aber da kann unser Kind nichts dafür. Eine Pflanze wird nicht schneller wachsen, wenn ich daran ziehe. Also bringt es wahrscheinlich am meisten, wenn ich mich entspanne, das Thema loslasse und Vertrauen in mein Kind habe, dass es sich zu gegebener Zeit schon entwickeln wird. Es schadet sicher nichts, das Angebot immer wieder zu machen und ein Töpfchen im Bad stehen zu haben. Jedes Kind möchte sich entwickeln, davon bin ich überzeugt. Also warum stressen? Lieber in der Mitte oder auch mal am Schluss sein, dafür entspannt, zufrieden und in guter Beziehung mit dem eigenen Kind. Dafür weiss mein Kind „so wie ich bin, bin ich OK“.
Normalerweise ist ein Kind frühestens mit 2 Jahren in der Lage, seine Ausscheidungen zu kontrollieren. Und das heisst „frühestens“. Viele Kinder machen diesen Entwicklungsschritt viel später, das kann auch gut erst mit 4 Jahren der Fall sein. Vor allem Jungs sind hierbei häufig etwas später dran als die Mädchen. Was ist schon normal? Wer definiert die Norm?
Was ich mit diesem Text sagen möchte: Habt den Mut, auf Euer Bauchgefühl zu hören. Unterstützt Eure Kinder in ihrer Entwicklung, macht ihnen immer wieder das Angebot, aber überlasst das Tempo den Kindern. Vergleicht Euer Kind nicht mit Anderen. Vielleicht ist es im Trocken werden später als andere, dafür ist es bestimmt in anderen Sachen weiter. Vergleicht das Kind nur mit sich selbst und ermutigt es in den Erfolgen und Fortschritten, die es für sich selbst erreicht.
Habt Geduld und schenkt dem Kind Euer Vertrauen. Gemeinsam schafft Ihr das!
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