Wenn Mama schreit

Und wieder lese ich in Austauschgruppen von vielen Mamis, die erzählen, wie ihnen hin und wieder der Geduldsfaden reisst.

Sie erzählen, dass sie kleine Kinder haben und sich eines davon gerade in der Trotz-/Autonomiephase befindet. Ebenfalls ist meistens das ältere Kind in dieser Trotzphase und dann ist da noch ein kleineres Geschwister da, welches sich noch im ersten Lebensjahr befindet. Und dann beschreiben die Mamas, wie ihnen hin und wieder der Geduldsfaden reisst und sie ihr Kind dann anschreien. Danach haben sie ein fürchterlich schlechtes Gewissen und fühlen sich ganz schuldig. Denn genau so möchten sie ihr Kind nicht behandeln, sie möchten gerne stets liebevoll und geduldig mit ihrem Kind umgehen.

Kennst Du das? Kommt Dir das irgendwie bekannt vor?

Also mir schon. Klar, kenne ich das und mal ganz ehrlich und Hand aufs Herz: Wer kennt das nicht? Wer hat noch NIE so eine Situation erlebt? Ich behaupte, dass alle Eltern, die einen Grossteil ihrer Zeit den eigenen Kindern widmen, solche Momente kennen. Vielleicht schreist Du nicht. Vielleicht rutscht Dir die Hand aus? Vielleicht richtest Du die Aggression in diesem Moment gegen Dich selber? Vielleicht beginnst Du zu weinen? Vielleicht gehst Du weg und wütest dort? Es muss nicht sein, dass Du es kennst, Deine Kinder anzuschreien. Aber Du kennst es ganz bestimmt, dass Dir der Geduldsfaden reisst und es Dir an die Nerven geht.

So weit so gut. Was mich aber traurig macht ist, dass ich lese, wie sich all diese Mamas nachher Schuldgefühle machen. Wie sehr es ihnen leid tut und sie sich selbst so viele Vorwürfe deswegen machen. Ich möchte jetzt nicht, dass Du meinst, dass ich es in Ordnung finde, Kinder oder andere Menschen anzuschreien. Die Handlung, die Tat, an dieser dürfen wir gerne arbeiten und neue, gewaltfreie Wege für uns erarbeiten und finden. Denn diese gibt es, für jeden von uns! Auch davon bin ich überzeugt. Genau hierfür gibt es ja uns Coaches, um Euch solche neuen Möglichkeiten und Wege in Kursen und Einzelcoachings aufzuzeigen. Denn darin wurden wir leider alle in Schulen nicht ausgebildet und die meisten von uns auch nicht im eigenen Elternhaus, deshalb dürfen wir selbst lernen, wie Selbstregulation und der Umgang mit heftigen Gefühlen wie Wut möglich ist, so dass wir das unseren Kindern weiter geben können.

Erziehung ist Liebe und Vorbild und Vorbild! (Zitat: Heinrich Pestalozzi)

Nun aber nochmals zu den Schuldgefühlen.

Müssen diese sein? Helfen Dir diese in irgend einer Weise? Machen diese Selbstvorwürfe wieder gut, was gerade geschehen ist? Verändern sie Deine Tat oder Deine Reaktion?

Nein, das tun sie nicht! Sie sind vielleicht dazu da, Dich wachzurütteln, dass Du Dich auch Deinen unangenehmen Gefühlen annimmst und einen gewaltfreien Umgang damit lernst. Und das ist möglich, ich spreche hier aus eigener Erfahrung. Was Du damit aber tust: Du setzt die Gewaltspirale fort, denn Du schimpfst jetzt nicht mehr mit dem Kind, sondern mit Dir selbst. Das klingt dann in Dir drin z.B. so:

„Wieso hatte ich mich nicht im Griff?“
„Wieso passieren mir solche Ausbrüche?“
„Das geht ja gar nicht!“
„Ich bin eine schlechte Mutter. Zumindest heute war ich das!“
Und, und, und

Stimmst Du mir zu, dass Du nicht willst, dass Dein Kind so mit sich selbst spricht?

Aber Du tust es und Du findest es sogar noch gerechtfertigt. Und genau das macht mich traurig. Denn bevor Du die Fassung verlierst, Dir der Geduldsfaden reisst und Du austickst, passiert etwas…

Genau. Es passiert etwas. Ein Bedürfnis von Dir wurde nicht gesehen, nicht geachtet, nicht respektiert, es geschah eine Grenzüberschreitung oder Du bist in eine tiefe Angst gerutscht. Z.B.: „Dein Kleinkind rennt einfach auf eine dichtbefahrene Strasse hinaus. Nach Sekundenbruchteilen realisierst Du, was gerade geschieht, hechtest hinter dem Kind her und ziehst es auf den Gehsteig zurück. Das Adrenalin ist in Deine Adern geschossen und Du bist in eine Grundtiefe Angst und Befürchtung gefallen. Nun schreist Du vielleicht im Affekt.“

Was ist hier gerade passiert? Adrenalin schiesst in Deinen Körper, er wird auf Alarmstufe gesetzt und in Deinem Kopf läuft das Notfallprogramm ab. Das Reptilienhirn übernimmt und für einen kurzen Moment hast Du Dich nicht unter Kontrolle. Deshalb schreist Du.

Wenn Du in die Minderwertigkeit fällst…

Egal um was es geht, ob mehrere Bedürfnisse von Dir nicht gesehen werden, ob Grenzüberschreitungen gemacht werden – es kann etwas sein, das Dich aus der Bahn wirft. Du fällst in das Minderwertigkeitsgefühl (Quelle und Ursprung: Alfred Adler, Begründer der Individualpsychologie). Mit anderen Worten, Du kommst von der Spur ab, Du fühlst Dich Klein, nicht gesehen, nichts wert etc.! Das Minderwertigkeitsgefühl verlangt in jedem Fall nach Kompensation oder gar Überkompensation und dafür hast Du Dir im Laufe Deiner Lebensjahre Strategien zurecht gelegt. Das Schreien als Selbstschutz kann z.B. eine Strategie sein. Wenn Dich diese Strategie mit den Kindern stört, dann darfst Du Dir wie geschrieben neue Strategien erarbeiten. Auf alle Fälle sitzt Du im Minderwertigkeitsgefühl, sonst würdest Du nicht schreien.

Wie würdest Du mit Deinem Kind umgehen,

wenn es sich im Minderwertigkeitsgefühl befindet? Wenn es neben der Spur war, ausser sich selbst und einen Fehler gemacht hat? Würdest Du es dafür ausschimpfen und bestrafen? Bestimmt nicht! Du würdest ihm sicherlich zuhören, ihm Verständnis entgegen bringen und Dein Mitgefühl und Du würdest Dein Kind liebevoll in die Arme schliessen und es trösten. Jawohl. Und genau das, genau das, brauchst jetzt auch Du! Keine Vorwürfe, keine Schuldgefühle! Liebevolles sehen, annehmen und trösten. Du solltest Dich genauso liebevoll behandeln wie Dein Kind, denn nur dann, wird es von Dir lernen können und diese Sprache auch für sich lernen.

Erst jetzt kannst Du analysieren und vorbeugen.

Denn jetzt hast Du Dich getröstet, Dich um Deine Seele gekümmert. Nun kannst Du überlegen, was das Ganze ausgelöst hatte. Weshalb bist Du in die Minderwertigkeit gefallen? Was war davor? Welches Bedürfnis wurde nicht respektiert oder gesehen? Welche Grenzüberschreitung ist geschehen? Und wenn Du es verstehst, dann kannst Du Dir überlegen, was Du beim nächsten Mal DAVOR tun kannst. Wie kannst Du Deine Grenze klarer abstecken, so dass sie nicht überschritten wird? Wie kannst Du Dich um Dein Bedürfnis kümmern, denn dies ist Deine Aufgabe und nicht die Deiner Kinder? Was kannst Du tun BEVOR Du in die Minderwertigkeit fällst?

Nun hast Du den Schlüssel zur Lösung in der Hand.

Und nun beginnt das Üben und Trainieren. Auch hier, sei bitte liebevoll und gnädig zu Dir. Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen und es braucht alles seine Zeit. Das ist OK, Du bist auf dem Weg und der Weg ist zum gehen da!

Viel Erfolg beim Üben und bitte, bitte, hör mit diesen Selbstvorwürfen auf. Sie machen Dich nur Kleiner! Suche nach neuen, positiven Strategien. Hole Dir Unterstützung und sei liebevoll mit Dir! Ermutige Dich selbst, Elternschaft bringt uns alle teilweise an unsere Grenzen und in unsere Nöte. Dafür beinhaltet sie auch das grösste Wachstumspotenzial überhaupt, sofern wir diese Herausforderungen als Chance sehen und packen.

Herzliche Grüsse
Céline

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